Redewendung: Nur Bahnhof verstehen
Die Redewendung „immer Bahnhof verstehen“ oder „nur Bahnhof verstehen“ beschreibt die Situation, in der man nichts versteht oder vorgibt, nichts zu verstehen.
Der Ursprung dieser Redewendung, die vor allem in den 1920er Jahren in Berlin populär war, ist nicht eindeutig geklärt. Laut Duden könnte die Redewendung darauf beruhen, dass jemand, der den Bahnhof als Ausgangspunkt einer Reise im Kopf hat, gedanklich so abgelenkt ist, dass er nicht aufmerksam zuhört. Andere Deutungen verorten die Entstehung in der Zeit des Ersten Weltkriegs: Für die kriegsmüden Soldaten war der Bahnhof ein Symbol für den Heimaturlaub und damit ein Sehnsuchtsort, der alle anderen Gedanken überlagerte.
Einer der ersten schriftlichen Belege findet sich 1923 in einer Rede des KPD-Reichstagsabgeordneten Emil Höllein. In einer Plenardebatte sagte er: „… ja, man will nichts hören. Wenn solche Dinge kommen, hören Sie immer: Bahnhof“.
In den 1930er Jahren taucht die Redewendung in den Romanen von Hans Fallada auf. In Wer einmal aus dem Blechnapf frißt heißt es: „‚Ich verstehe immer Bahnhof‘, sagte er. ‚Bahnhof ist gar nicht so schlimm‘, sagte sie, ‚wenn man türmen muss.‘“ Auch Fallada beschreibt die Redewendung in Wolf unter Wölfen als typisch für die Inflationszeit. Dort wird sie mehrfach erwähnt und als „geflügeltes Wort“ oder „beliebteste Redewendung der Zeit“ bezeichnet.
Eine sprachwissenschaftliche Analyse aus dem Jahr 1935 liefert eine weitere Erklärung: Wer bewusst nicht auf die Worte eines anderen eingeht, sondern ihn ärgern oder necken will, sagt: „Ich verstehe immer Bahnhof“. Zusammengefasst bedeutet dies: „Erkläre, was du willst – ich werde dich nicht verstehen (wollen)“.
Die Redewendung ist damit eng mit der Alltagskultur und den historischen Kontexten ihrer Zeit verbunden und zeigt, wie der Sprachgebrauch gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegelt.